White - von Kenya Hara

Kenya Hara hat mit „White“ ein schönes, kleines Buch geschrieben über die Bedeutung von Weiss in der japanischen Ästhetik. Die japanische Ästhetik ist bekannt für ihre Simplizität und Subtilität. Und Weiss trägt wesentlich dazu bei.

Hara weist auf seine Bedeutung über die reine Qualität als Farbe hinaus. Weiss steht für das Nicht-Vorhandensein von Farbe, Nicht-Gefülltsein und wird damit zu einem Raum der Möglichkeiten. Wichtige Elemente in der Kommunikation. Hara sagt, „erfolgreiche Kommunikation ist abhängig davon, wie gut wir zuhören, nicht davon, wie gut wir unsere Meinungen anderen Menschen aufdrängen“. Nicht-Reden als Teil guter Kommunikation. Weiss wird als Design und expressives Konzept zum Stilmittel der Möglichkeit und des imaginativen Einflusses, so beispielsweise in Form eines weissen, leeren Papiers als Grundlage für kreatives Wirken. Weiss als Nicht-Sein bedeutet nie Nichts-Sein oder Energielosigkeit. Im weissen Raum liegt die kreative Macht der Möglichkeit. Es ist ein Noch-nicht-Sein mit viel Potenzial, die Kraft der Chance zum Werden. Denn erst durch die Reduktion aller Details auf das absolut Notwendige erwachen unsere imaginativen Sinne. So gesehen ist Weiss Information, die aus Chaos erwächst. Warum ist Einfachheit so kraftvoll und inspirierend? Noch vor nicht so langer Zeit wurden Macht und Reichtum durch die Applikation komplizierter Muster auf allen möglichen Objekten zelebriert. Die einfachen Leute hatten einfache Sachen, während die oberen Schichten in Prunk, Kitsch und dekorativen Elementen versanken. Mit dem Aufkommen des Bürgertums und der Idee einer neuen bürgerlichen Gesellschaft bekamen auch Einfachheit und Praktikabilität neuen Aufschwung. Unsere Fantasie und Kreativität können sich erst in aufgeräumten, einfachen Räumen entfalten. Das Nicht-Sein ist die Bühne auf der das menschliche Bewusstsein aufblühen kann. Unsere freien Sinne werden zu Information und zur Quelle von Imagination. (Deshalb ist Langeweile etwas Wichtiges. Vor allem für Kinder. Erst dann können sie lernen, sich kreativ zu entfalten.)

Die Englischen Begriffe „Image“ und „Imagination“ haben einen klaren Bezug, der uns im Deutschen leider fehlt. Was Hara von Kommunikation sagt, nämlich dass wir die natürliche Leere in Kommunikation imaginativ füllen, gilt insbesondere für Bilder. Die Ruhe des Nicht-Gesagten ist eloquenter als jedes Wort. Effektiv eingesetztes Schweigen sichert Bedeutung.

Leere ist Potenzial.

Lars Müller Publication hat das Thema haptisch und visuell wunderschön in einem kleinen weissen Büchlein umgesetzt. Ganz im Sinne Haras, der sagt, es war die treibende Leidenschaft für Schönheit die Bücher zu dem machte, was sie heute sind.

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